Sind wir denen überhaupt nicht wichtig?

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Seit über einem Jahr bestimmt jetzt die Coronapandemie einen grossen Teil unseres Alltags.

In der Schule hiess das im März 2020 von einem Tag auf den anderen 6 Wochen lang Fernunterricht. Dann ging es im Aargau wieder zurück in den Normalbetrieb, d.h. regulärer Präsenzunterricht mit sämtlichen Schülerinnen und Schülern. Wir halten uns seither an das Sicherheitskonzept, welches vom BKS vorgegeben ist:

Wir schütteln keine Hände mehr. Die Schülerinnen und Schüler waschen sich mehrmals täglich mindestens 30 Sekunden lang die Hände. Mit kaltem Wasser, weil es in den Schulzimmern kein warmes Wasser gibt. Die Erwachsenen dürfen für die Hände Desinfektionsmittel benutzen. 

Wir desinfizieren und reinigen regelmässig Oberflächen und Türgriffe. 

Wir lüften. Unsere CO2-Messgeräte melden uns nach 10 Minuten Unterricht mit einer Schulklasse, dass der CO2-Wert zu hoch ist. Das heisst, wir lüften fast nonstop. Im Winter hatten wir die Wahl, entweder schlechte, möglicherweise virenpartikelverseuchte Luft einzuatmen oder zu frieren. Wir haben gefroren. Luftfiltergeräte gibt es nicht. Der Bund sagt, das sei Sache der Kantone, die Kantone sagen, das sei Sache der Gemeinden, die Gemeinden sagen, es gäbe keine Vorschriften, dass man Luftreinigungsgeräte anschaffen müsse. Das heisst, wir werden weiterhin lüften und je nach Wetter einfach frieren.

Wir tragen Masken. Alle Erwachsenen und alle Schülerinnen und Schüler ab der 5. Klasse. Ausser im Sportunterricht in der Halle. Dort macht das Virus Pause. Dort reicht es, Abstand zueinander zu haben. Dort tragen nur die Lehrpersonen eine Maske. 

Wir halten Abstand. Mindestens 1,5 Meter. Ausser in Klassenzimmern, weil es da keinen Platz hat zum Abstand halten. Da sitzen wir täglich etwa 6  Stunden ohne Abstand. Aber dafür müssen die Schülerinnen und Schüler dann in den Pausen draussen an der frischen Luft auf dem Pausenplatz immer ihre Maske tragen und Abstand zueinander halten. 

Bis vor kurzem hiess es immer wieder, Kinder und Jugendliche seien keine Treiber der Pandemie. Dem gebe ich insofern recht, als dass wenn man Kinder und Jugendliche nicht testet, es auch keine Fälle gibt. Die auftretenden Fälle in Schulen werden nicht offiziell gesammelt und dokumentiert. In den Schulen gibt es immer wieder kranke Schüler*innen mit Coronasymptomen. Bis vor kurzem wurden diese oft von den Ärzt*innen ungetestet zurück in den Unterricht geschickt.

Zum Glück hatten bis jetzt die meisten Betroffenen keine schweren Symptome. 

Leider scheinen an den neuen Mutationen nun auch Kinder und Jugendliche schwerer zu erkranken. Und es gibt immer mehr Fälle von LongCovid-Verläufen auch bei Schüler*innen. Wie man diese Kinder und Jugendlichen behandelt und ob sie wieder vollständig gesund werden, das weiss noch niemand.

Die meisten Schüler*innen halten sich auch nach einem Jahr noch an die Regeln und nehmen aufeinander Rücksicht. 

Sie jammern nicht, wenn sie x-mal mehr telefonieren und nachfragen müssen, bis sie irgendwo eine Schnupperlehre machen dürfen. 

Sie schränken sich in der Freizeit ein. 

Sie sind solidarisch mit den Menschen, welche durch ihr Fehlverhalten schwer erkranken könnten. Sie denken dabei an ihre Familien zuhause, an ihre Grosseltern, an kranke Menschen, für welche eine Ansteckung mit Corona sehr gefährlich sein könnte.

Nun kann man Menschen impfen, zum Glück. Alle, ausser Kinder und Jugendliche. Da gibt es noch keinen Impfstoff. 

Es gibt auch eine neue Teststrategie. Es heisst, man solle testen, testen, testen. Schüler*innen sollen 2 mal wöchentlich in ein Röhrli spucken. So entdeckt man die kranken Kinder und Jugendlichen einfach und schnell und die Schulen werden sicherer.

Im Aargau muss man das zuerst wochenlang beobachten, diese Tests gibt es bis auf weiteres nur für wenige ausgewählte Schulen. Frühestens nach den Frühlingsferien will man möglicherweise damit anfangen. Doppelt freiwillig, nur wenn die Schule und die einzelnen Personen das möchten und nur je nach epidemiologischer Lage. 

In anderen Kantonen wird an Schulen längst flächendeckend getestet.

Das heisst, in unseren Schulen gibt es weiterhin und zunehmend Schülerinnen und Schüler, sowie Lehrpersonen, welche an Corona erkranken und sich gegenseitig anstecken.

Das heisst auch, dass in Klassen ab 5. Schuljahr, in welchen mehrere Schüler*innen und Lehrpersonen an Corona erkranken, die Mitschülerinnen und Mitschüler und weitere Lehrpersonen nicht getestet werden und nicht in Quarantäne geschickt werden. Weil es ja ein Sicherheitskonzept gibt und alle Masken tragen. 

Das bedeutet, dass wir momentan viele Schülerinnen und Schüler haben, welche krank sind.

Das bedeutet auch, dass es viele Eltern gibt, welche ihre Kinder mit Angst in die Schule schicken. 

Und dass Kinder grosse Sorgen haben, sie könnten ihre Familienmitglieder anstecken. 

In letzter Zeit sagen viele Menschen, sie seien coronamüde.

Das sind wir an den Schulen auch. Wir geben alle unser Bestes. Wir halten uns gemeinsam an alle Regeln. Auch wenn wir längst nicht alle verstehen.

Die Realität ist: Wir sind im Moment daran, Schulen zu durchseuchen. 

Wir fühlen uns alleine gelassen. Wir fühlen uns nicht ernst genommen. Wir machen uns Sorgen um unsere Kinder und Jugendlichen. Sie und ihre Familien sind uns wichtig! Wir machen uns auch Sorgen um unsere Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen und um uns.

Als ich letzte Woche meinen Schüler*innen erklären musste, dass von den kantonalen Gesundheitsbehörden bestimmt worden sei, es gäbe keine Tests in der betroffenen Klasse und keine Quarantäne, obwohl mehrere Personen an der Schule an Corona erkrankt waren, sondern einfach weiterhin Hände waschen, lüften, Abstand und Masken, sagte einer der Schüler: Sind wir denen überhaupt nicht wichtig? Ich glaube, die verarschen uns!